Strukturierte Diskriminierung in Kitas: Wenn Vielfalt zur Herausforderung wird

Kitas verstehen sich als offene, inklusive Lernorte, in denen jedes Kind willkommen ist. Doch die Realität zeigt: Auch in Kindertageseinrichtungen kommt es immer wieder zu Diskriminierung – oft unbewusst, strukturell und tief verankert. Kinder, Eltern und auch pädagogische Fachkräfte erleben, dass Herkunft, Sprache, Geschlecht, Behinderung oder soziale Herkunft darüber entscheiden, wie sie gesehen, behandelt oder bewertet werden. Das Problem: Es ist nicht immer sichtbar – aber dennoch wirksam.

Was ist strukturierte Diskriminierung?

Strukturierte Diskriminierung (auch: institutionelle Diskriminierung) bedeutet, dass gesellschaftlich benachteiligende Strukturen in pädagogischen Einrichtungen reproduziert werden, ohne dass dies absichtlich oder offen geschieht. Es geht um ungleiche Chancen, Bewertungen und Ausschlüsse, die in den Abläufen, Routinen, Erwartungshaltungen oder Regeln einer Kita eingebettet sind.

Wichtig: Diskriminierung geschieht oft nicht aus „bösem Willen“, sondern aus nicht reflektierten Normen und Standards.

Wie Diskriminierung in Kitas wirkt – oft unsichtbar

In Kitas zeigt sich strukturelle Diskriminierung z. B. darin, dass:

-bestimmte Kinder weniger zu Wort kommen oder nicht in Entscheidungen einbezogen werden
-Mehrsprachigkeit nicht wertgeschätzt, sondern problematisiert wird
-Eltern mit geringen Deutschkenntnissen weniger in den Kita-Alltag eingebunden werden 
-Verhaltensnormen und Erziehungsstile ausschließlich an der weißen, mitteleuropäischen Mittelschicht orientiert sind
-Fachkräfte aus anderen Herkunftsländern nicht als gleichwertig wahrgenommen werden

Diese Prozesse laufen oft unbemerkt ab – mit tiefgreifenden Wirkungen auf das Selbstbild und die Zugehörigkeit der Betroffenen.

Formen strukturierter Diskriminierung in Kitas

Strukturierte Diskriminierung kann viele Formen annehmen:

Rassismus und ethnische Diskriminierung:

-Vorurteile über „laute Kinder“ aus bestimmten Herkunftsländern
-Fehlende Repräsentation nicht-weißer Kinder in Bilderbüchern und Materialien
-Pauschalisierende Elternurteile („die sind halt so“)

 

Soziale Diskriminierung:

-Bevorzugung von Eltern, die „besser kommunizieren“ können
-Benachteiligung von Kindern aus armutsbetroffenen Familien in Projektteilnahmen (z. B. fehlendes Geld für Ausflüge)

Genderbezogene Diskriminierung:

-Rollenzuweisung in Spielen (z. B. Mädchen = Mutter, Jungen = Bauarbeiter)
-Stigmatisierung von Jungen mit sensiblen Verhaltensweisen

Ableismus (Behindertenfeindlichkeit):

-Ausschluss von Kindern mit Behinderung aus Gruppenaktivitäten
-Fehlende Barrierefreiheit oder Unterstützungsangebote

Religiöse Diskriminierung:

-Kein Raum für muslimische, jüdische oder andere nicht-christliche Feste
-Misstrauen gegenüber religiös geprägter Kleidung (z. B. Kopftuch)

Wer betroffen ist: Kinder, Eltern, Fachkräfte

Kinder erleben strukturelle Diskriminierung durch Zuweisungen („du verstehst das eh nicht“), durch fehlende Anerkennung ihrer Kultur oder durch systematische Abwertung.

Eltern erfahren Ausschluss, wenn Informationen nicht barrierefrei oder mehrsprachig angeboten werden oder wenn sie in Elterngesprächen herablassend oder ungeduldig behandelt werden.

Fachkräfte können ebenfalls betroffen sein – etwa, wenn sie nicht weiß sind, eine andere Muttersprache haben oder nicht in das „Teamklima“ passen. Oft erleben sie fehlende Anerkennung, subtile Herabsetzung oder geringere Aufstiegschancen.

Strukturelle Ursachen: Warum Diskriminierung reproduziert wird

Diskriminierung in Kitas entsteht nicht nur durch Einzelpersonen, sondern durch:

-Einseitige Bildungspläne und Materialien
-Nicht-reflektierte Teamnormen („Das machen wir immer so“)
-Einrichtungskulturen, die Homogenität erwarten
-Fehlende Diversitätsbildung und diskriminierungskritische Reflexion
-Sprachbarrieren und unzureichende Elternarbeit auf Augenhöhe

So werden gesellschaftliche Machtverhältnisse im Mikrokosmos Kita fortgeschrieben – wenn nicht bewusst gegengesteuert wird.

Was Einrichtungen dagegen tun können

Ein diskriminierungskritischer Kita-Alltag braucht:

-Fortbildungen zu Diversity, Antirassismus und intersektionaler Diskriminierung
-Mehrsprachige Materialien und Kommunikation
-Diversität im Team fördern – aktiv, bewusst, auf allen Ebenen
-Partizipative Strukturen, in denen Kinder und Eltern mitgestalten können
-Reflexion im Team über Macht, Normen, Ausschlüsse
-Einbindung marginalisierter Perspektiven in die Bildungsarbeit (z. B. Bücher, Spiele, Lieder)

Das Ziel: Eine Einrichtungskultur, die Vielfalt als Ressource begreift – nicht als Belastung.

Fazit

Strukturierte Diskriminierung in Kitas ist kein Randphänomen – sondern ein systemisches Problem. Sie entsteht dort, wo Normen, Macht und Erwartungen nicht reflektiert werden. Nur wer Diskriminierung erkennt und benennt, kann Kinderrechte ernst nehmen und echte Inklusion leben.

Der erste Schritt ist oft der schwerste: Hinsehen, zuhören, umlernen. Aber genau das brauchen Kinder – und unsere Gesellschaft.

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