"Ich hab Durst!" – Warum Trinken kein Privileg ist, sondern ein Kinderrecht
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Trinken ist kein Erziehungsinstrument – sondern ein Menschenrecht
Ein Kind meldet sich: „Ich hab Durst.“
Und dann kommt manchmal der Satz: „Warte bitte bis nach dem Morgenkreis“ – oder schlimmer: „Du hättest vorher trinken sollen.“
Doch hier wird etwas Grundlegendes übersehen: Trinken ist kein optionaler Service, sondern ein elementares Bedürfnis. Und laut UN-Kinderrechtskonvention haben Kinder das Recht auf Gesundheit, auf körperliches Wohlbefinden – und damit auch auf freien Zugang zu Wasser.
Warum Kinderrechte auch im Alltag gelten – nicht nur auf dem Papier
In vielen Einrichtungen hängen bunte Plakate mit den Kinderrechten. Aber was bringen sie, wenn sie im Alltag unter Zeitdruck und Routinen untergehen?
Gerade das Recht auf Trinken ist ein Beispiel, wie leicht ein Menschenrecht im Alltag relativiert wird – oft nicht aus böser Absicht, sondern aus Gewohnheit.
Doch als Fachkräfte müssen wir uns bewusst machen:
Es ist nicht unsere Aufgabe, Bedürfnisse zu steuern – sondern sie zu achten.
Kinder ernst nehmen heißt: Durstsignale ernst nehmen
Kinder spüren intuitiv, wann sie trinken müssen. Gerade in der Kita, wo viel Bewegung, Wärme und Aufregung herrscht, ist der Flüssigkeitsbedarf hoch.
Wenn ein Kind Durst äußert, dann:
🚫 ist es kein "Stören" des Ablaufs
🚫 ist es kein "Austesten von Grenzen"
✅ sondern ein biologisches Signal, das sofortige Reaktion verdient
Und: Kinder lernen durch unsere Haltung, ob sie ihren Körper vertrauen dürfen oder nicht.
Warum Durst kein Mittel zur Erziehung sein darf
In manchen Fällen wird Trinken (bewusst oder unbewusst) mit Bedingungen verknüpft:
„Wenn du ruhig sitzt, darfst du was trinken.“
„Nach dem Aufräumen ist Trinkpause.“
Das ist nicht nur pädagogisch fragwürdig, sondern verstößt gegen das Grundprinzip:
Die Bedürfnisse eines Kindes dürfen niemals zur pädagogischen Verhandlungsmasse werden.
Wie eine trinkfreundliche Kita-Kultur aussieht
Eine Einrichtung, die Kinder in ihrer Selbstwahrnehmung stärkt, erkennt:
Trinken ist kein Programmpunkt – es ist jederzeit erlaubt.
🔹 Feste Trinkstationen mit Zugangshöhe für Kinder
🔹 Ermutigung statt Kontrolle („Hast du heute schon genug getrunken?“)
🔹 Modellverhalten im Team (auch selbst regelmäßig trinken)
🔹 Transparente Regeln: z. B. „Du darfst jederzeit trinken, sag einfach kurz Bescheid.“
Was sagt der Bildungs- und Erziehungsauftrag?
Laut dem SGB VIII §22 ist die Kindertagesbetreuung unter anderem dazu verpflichtet, die körperliche Entwicklung von Kindern zu fördern. Flüssigkeitszufuhr ist ein fundamentaler Teil davon.
Auch in vielen Bildungsplänen der Bundesländer wird explizit auf die Verantwortung der Fachkräfte verwiesen, für das körperliche Wohlbefinden der Kinder zu sorgen – nicht nur durch Pflege, sondern auch durch die Achtung physiologischer Bedürfnisse.
Fazit: Es geht um mehr als Wasser
Wenn ein Kind Durst hat und der Wunsch nach Wasser ignoriert wird, dann passiert auf Beziehungsebene etwas Tiefgreifendes:
Das Signal „Du wirst gehört“ wird nicht gesendet.
Stattdessen: „Dein Körpergefühl ist gerade nicht wichtig.“
Kinderrechte zeigen sich im Alltag – in kleinen Momenten.
Wer Trinken gewährt, wenn es „passt“, verwechselt Fürsorge mit Kontrolle.
Wirkliche Pädagogik heißt: dem Kind ermöglichen, sich selbst zu vertrauen – auch wenn es einfach nur Durst hat.