Wenn es zu Hause laut wird – Wie Kinder häuslichen Streit erleben und warum wir in der Kita besonders hinschauen sollten
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Montagmorgen in der Kita – aus der Sicht eines Kindes
„Mama hat gestern so geschrien, und Papa hat mit der Tür geknallt. Ich wollte, dass es aufhört. Aber ich habe mich nicht getraut, was zu sagen. Jetzt bin ich hier – in der Kita. Und mein Bauch tut weh.“
So oder so ähnlich fühlen sich viele Kinder, wenn sie am Montagmorgen mit einem Lächeln in die Kita gebracht werden – doch innerlich ist ihr System im Alarmzustand. Als pädagogische Fachkraft sehen wir vielleicht nur ein Kind, das heute „ein bisschen anhänglicher ist“. Doch dahinter steckt oft viel mehr.
💡 Was passiert bei häuslichem Streit im kindlichen Gehirn?
Wenn Eltern laut werden, brüllen oder sogar Türen schlagen, aktiviert sich beim Kind das sogenannte limbische System, insbesondere die Amygdala – unser emotionales Alarmsystem. Kinder unter 6 Jahren verfügen jedoch noch nicht über ausgereifte Strategien zur Selbstregulation. Das bedeutet:
Stresshormone wie Cortisol werden ausgeschüttet.
Der Körper bleibt in einem Fight-or-Flight-Zustand.
Bindungspersonen als sichere Anker fehlen in diesem Moment.
Sprachlich können Kinder ihr Erleben meist nicht ausdrücken.
Die Folge: Der Stress bleibt im Körper gespeichert – oft bis Montagmorgen.
🧠 Wissenschaftliche Perspektive: Was sagt die Forschung?
Laut Studien (z. B. Schore, 2001; Hüther, 2018) kann chronischer Streit in der Familie die neuronale Entwicklung beeinflussen – insbesondere bei Vorschulkindern. Kinder erleben Streit nicht neutral, sondern beziehen ihn oft auf sich selbst:
„Vielleicht bin ich schuld, dass Mama und Papa sich streiten?“
Das führt zu Unsicherheiten im Bindungsverhalten, innerer Anspannung und oft zu Verhaltensveränderungen:
Rückzug oder Verweigerung
Aggressives Verhalten gegenüber anderen Kindern
Körperliche Symptome wie Bauch- oder Kopfschmerzen
🔎 Was können Fachkräfte tun?
1. Beziehungsangebote machen
Ein ruhiges „Ich bin da für dich“ kann Wunder wirken. Kinder, die emotionale Sicherheit erleben, können Stress besser verarbeiten.
2. Verhalten verstehen statt bewerten
Wenn ein Kind besonders impulsiv oder weinerlich ist, lohnt es sich, genauer hinzuschauen: Was könnte hinter dem Verhalten stehen?
3. Raum für Rückzug ermöglichen
Ein Kind, das überreizt ist, braucht nicht unbedingt Beschäftigung, sondern vielleicht einfach einen Ort zum Runterkommen – einen sicheren Hafen.
4. Elternkontakt behutsam aufbauen
Ohne zu bewerten, kann im Elterngespräch Raum geschaffen werden: „Uns ist aufgefallen, dass Ihr Kind heute besonders ruhig ist – manchmal hilft es, wenn wir gemeinsam schauen, wie wir ihm Sicherheit geben können.“
👶 Das Kind braucht keine perfekten Eltern – sondern verständnisvolle Erwachsene
Wir als pädagogische Fachkräfte können den familiären Streit nicht auflösen. Aber wir können Übersetzer der kindlichen Bedürfnisse sein – feinfühlig, zugewandt und auf Augenhöhe.
Denn das Kind bringt seine Welt mit in die Kita – auch wenn es sie noch nicht in Worte fassen kann.
🔍 Fazit
Häuslicher Streit bleibt für Kinder nicht ohne Wirkung – auch wenn sie nichts sagen. Die Kita kann ein Ort sein, an dem Sicherheit, Verständnis und Stabilität erfahren werden. Dafür braucht es Zeit, Beziehung – und einen liebevollen Blick hinter das Verhalten.